`Frühes Wissen und Entscheidungen´ - Wie wirkt sich der nicht invasive pränatale Test NIPT auf Beratung und Betroffene aus.
Nachbericht zum 19. Fachforum Pränatalmedizin vom 12. November 2024 im Hybrid-Format
Die Veranstaltung fand im Aloysia Löwenfels Haus Dernbach und im Zoom statt.
Die Aktualität des Themas spiegelte sich in Beteiligung und Anmeldezahl vor Ort und im Netz. Beraterinnen, Gynäkologinnen, Hebammen waren sichtlich interessiert und offen für Neuinformationen und Austausch.
Dr. Rieke begrüßte für das Team der Fachberatungsstelle Katharina Kasper-Stiftung und zeigte die Historie des NIPTs seit 2012 auf. Zunächst als Privatleistung teuer bezahlt entwickelte sich der frühe Bluttest für Schwangere 2022 zu einer Kassenleistung. Erste Studien zeigen eine exorbitante Nutzung dieses Angebotes, sodass in 2023 in etwa bei der Hälfte der Schwangerschaften ein NIPT durchgeführt wurde.
Die Komplexität dieses Testverfahrens und falsche Vorstellungen bezogen auf die Aussagekraft zur kindlichen Gesundheit belegte der Vortrag von Dr. rer. nat. Stefanie Sollfrank, Labor Koblenz. Sie betonte, dass es den NIPT wie es auch die PCR nicht gibt. Es muss klar sein, auf welche Chromosomenstörungen getestet werden soll, was das Ziel der Testung ist. Dabei gibt es Hauptbefunde wie die Trisomien 13, 18, 21. Die Aussage über das Geschlecht des Kindes ist ein Nebenbefund, wobei dieser sehr gefragt ist.
Alter, Gewicht, Schwangerschaftswoche der Schwangeren beeinflussen die Aussagekraft des Befundes und sollten dringend berücksichtigt werden. Bei übergewichtigen Frauen kann generell ein Ergebnis falsch negativ sein. Bei jüngeren Frauen gibt es sehr häufig falsch positive Befunde bei Trisomie 13/18. Dr. Sollfrank erinnerte an die Fortbildungs- und Beratungspflicht der durchführenden ÄrztInnen.
Dr. med. Heike Makoschey-Weiß vom Pränatalzentrum Meckenheim bestätigte dazu ihre Erfahrungen in der Praxis. Sie plädierte für einen im Einzelfall medizinisch indizierten NIPT nach vorhergehendem Organultraschall.
Dr. med. Fani Geka vom Pränatalzentrum am Salzhaus Frankfurt plädierte für einen ´NIPT mit Nachdenken`. Sie hoffte darauf, dass die aktuelle politische Aufmerksamkeit zu einer Neubewertung, einem Monitoring und einer gezielten, beratungsintensiven Rückführung auf niedrigere Testzahlen führt.
Entgegen der ursprünglichen Hoffnung, dass es bei Einführung des NIPT als Kassenleistung zu weniger invasiven Eingriffen (Amniozentesen) komme und Spätabbrüche vermieden würden, wiege der unauffällige NIPT ohne zusätzliche Organdiagnostik die Schwangeren in trügerischer Entlastung und Sicherheit. Deren offensichtliche Motivation, eine frühe Geschlechtsbestimmung beim Kind zu erwirken, wurde von allen Beteiligten am Forum sehr kritisch gesehen, wie die daraus erwachsenden Gender-Partys für das Ungeborene.
Marion Topp, die KKS Beraterin aus Frankfurt, wie auch die Zuhörenden stellten den dringenden zusätzlichen Beratungs- und Informationsbedarf für Durchführung des Testes fest. Dieses wird aktuell sehr selten wahrgenommen. Bedrückend erscheint dann der Kontakt mit schwangeren Paaren, die in der fortgeschrittenen Schwangerschaft mit schwersten Fehlbildungen (Herzfehler, Hirnauffälligkeit, usw …) und lebensverkürzenden Diagnosen kommen und berichten, dass der NIPT und die Voruntersuchungen des Kindes doch alle in Ordnung gewesen seien.
Schwangere und ihre PartnerInnen können die Komplexität der Angebote kaum einschätzen. Sie sind getragen von einer vermeintlichen `Testnormalität` und der Beruhigung, die für sie nach einem negativen guten Ergebnis ausgeht.
Zwei von der Thematik betroffene Mütter schilderten Ihre Geschichte der mit Trisomie 13 verstorbenen Tochter und des mit Trisomie 13/18 lebenden Sohnes in eindrucksvoller Offenheit.
Es standen zwei geliebte Kinder mit keiner bis eingeschränkter Lebenserwartung im Mittelpunkt und die große Liebe mit der die Mütter und Väter sie `überschüttet` haben, bzw. es immer noch tun.
Frau Beck-Kuhlmann als Beraterin betonte, dass es kein nur einfach und nur schwer gibt, dass es keine generellen klaren Antworten für alle gibt. Es gibt nur die individuelle vorgeburtliche Situation des jeweils einzigartigen Kindes. Es geht um das Kind und nicht (nur) um die Diagnose.
Somit, so waren sich alle einig, müsse mehr Beratung und Begleitung der schwangeren Paare angeboten werden. Das bedarf einer guten Empfehlungskultur und Zusammenarbeit zwischen den GynäkologInnen und BeraterInnen zum Wohle der Patientinnen.
Diese Tagung konnte in guter Weise an der interdisziplinären Vernetzung mitwirken.
Für das Protokoll
Prof. Dr. med. Ursula Rieke
Ärztl. Leitung – Stiftungsvorstand